Praktikum Allgemeine Chemie – Erste Erfahrungen

Im Sommersemester 22 wurden die neugestalteten Studiengänge im Department Chemie erstmals Realität. Viele Veranstaltungen wurden in ihrem Zuschnitt angepasst oder neu eingeordnet. Besonders stark verändert wurde aber das Eingangssemester: Unter dem Begriff „Allgemeine Chemie“ erwartet die Studierenden nun ein Semester, das explizit überfachlich gestaltet ist. Besonders tiefgreifend sind die Veränderungen im zugehörigen Praktikum.

Dr. Rudolf Robelek und Dr. Luca Carrella haben in den vergangenen Monaten die Planungen koordiniert, Versuche konzipiert, das Skript entwickelt und stehen nun seit Semesterbeginn auch im Saal, um die Studierenden anzuleiten und gleichzeitig Anpassungsbedarfe zu ermitteln.

Der praktische Umgang mit Laborgeräten (Waagen, Pipetten, etc.) und die Arbeitsweise bei der Vorbereitung, Durchführung, Messung und Auswertung wissenschaftlicher Versuche sind die Kerninhalte des Praktikums. Besonders Versuche mit Stoffen, die auch im Alltag zu finden sind (z. B. Zerfall von Bierschaum, Extraktion von Limonen aus Zitronen) finden reges Interesse.

Neben der fachlichen Ausrichtung ist an dem Praktikum neu, dass es ab dem ersten Semestertag stattfindet. Die 93 Erstsemester-Studierenden wurden in zwei Gruppen geteilt und sind nun entweder montags oder dienstags ganztägig im Praktikum. In diesem Semester konnte man noch mit einem Saal arbeiten. „Für das Wintersemester erwarten wir deutlich höhere Studierendenzahlen, so dass dann das gesamte 3. OG benötigt wird“, so Robelek.

Schon jetzt war die Planung der Flächen eine mühevolle Puzzlearbeit, da verschiedene andere Veranstaltungen ebenfalls Laborflächen benötigen. So stehen die Räume des Praktikums Allgemeine Chemie an den anderen Wochen keineswegs leer. Dass die Umstellung zwischen den verschiedenen Veranstaltungen reibungslos läuft, ist auch dem tatkräftigen Einsatz des technischen Personals Dirk Beyelstein, Nils Emrich (beide Department) und Matthias Hagen (AK Basché) zu verdanken.


Vorteile für Studierende

Durch die schnelle Heranführung auch an praktische Aspekte des Chemiestudiums sollen die Studierenden zügig einen Überblick über die Arbeitsweisen und Herausforderungen der kommenden Semester erhalten. Einigen dient das zur Motivation, andere können schnell erkennen, dass ihre Fähigkeiten und Interessen vielleicht in anderen Ausbildungswegen einfacher zum Erfolg führen. „Obwohl in Anlehnung an die Beobachtung früherer semesterbegleitender Praktika im ersten Semester eine hohe Abbruchsquote zu erwarten war, sind im letzten Semesterdrittel noch über 80% der Studierenden aktiv im Praktikum. Lediglich 15 Studierende haben das Praktikum frühzeitig abgebrochen und sich z.B. anderen Studiengängen zugewandt.“, freut sich Carrella.
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Der Hauptteil der Studierenden bewältigt das angebotene Programm überaus zufriedenstellend in der zur Verfügung stehenden Zeit. Einige sehr Motivierte laufen dem Hauptfeld zeitlich, praktisch und wissenstechnisch deutlich voran und bewältigen die Versuche einschließlich der Auswertung in erstaunlich kurzer Zeit.

„Leider verzeichnen wir jedoch bei ca. einem Fünftel der noch aktiven Teilnehmer(innen) erhebliche Schwierigkeiten, vor allem in der Auswertung der Experimente, da sowohl die chemischen als auch die benötigten mathematischen Grundlagen (noch) nicht vorhanden sind.“ bedauert Carrella. „Unsere Studierenden kommen größtenteils direkt von der Schule an die Universität. Dabei ist je nach Bildungsschwerpunkt der besuchten Schule ein sehr unterschiedliches Niveau der Vorbildung in den wissenschaftlichen Fächern Chemie, Physik und Mathematik vorhanden. Aufgrund des unmittelbaren Starts der praktischen Laborarbeiten mit dem Vorlesungsbeginn des ersten Fachsemesters haben die Studierenden keine Gelegenheit, sich eine Art Vorwissen anzueignen. Gerade bei der mathematischen Aufarbeitung von gemessenen Daten offenbaren sich bei Vielen große Schwächen und führen zu teils extrem langen Auswertezeiten der Versuche.“

Lob für Betreuungskräfte

Neben den Praktikumsleitern und dem technischen Personal sind immer zwei Promovierende und sechs HiWis vor Ort, um die Studierenden zu unterstützen.
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abei wurde auf eine stetige und engmaschige Betreuung geachtet. Jeder Betreuungsperson wurden maximal acht Studierende zugewiesen. Die direkte Zuordnung soll die Hemmschwelle der Studierenden, Fragen zu stellen oder bei Unklarheiten Unterstützung zu erfragen, signifikant herabsenken.

Robelek lobt den großen Einsatz der Betreuungskräfte: „Aufgrund der kompletten Änderung der Praktikumsstruktur sowie der Praktikumsinhalte haben weder die eingesetzten Promovierenden noch die neu rekrutierten HiWis die praktischen Inhalte bereits schon einmal durchgeführt und müssen sich auf die theoretischen Hintergründe sowie auf die praktische Umsetzung umfangreicher vorbereiten, als es bei anderen Praktika der Fall wäre.“ Der hohe Anteil eingesetzter Hiwis berge aber zusätzliche Herausforderungen, da viele von ihnen bislang über keine Lehrerfahrung verfügen. Um eine durchgehend qualitativ hochwertige Betreuung zu erzielen, bei der alle Studierenden mit den gleichen Informationen versorgt werden, gibt es für das Betreuungspersonal vor jedem Versuchstag eine Besprechung der theoretischen Grundlagen, der Musterlösungen und der Praktikumsorganisation.

Zeitliche Herausforderungen bei der Einführung

Eine weitere Herausforderung war der knappe Zeitplan zur Einführung des neuen Praktikums. Im Oktober 2021 stand endgültig fest, dass das neue Praktikum überhaupt stattfinden sollte. Bis April 22 musste das über 200 Seite starke Praktikumsskript entworfen werden. Dieses enthält neben den Versuchsvorschriften auch die entsprechende Theorie. Dieses Skript wurde mit den anderen Veranstaltungen der Allgemeinen Chemie abgestimmt.

Sehr viele Versuche und Vorschriften sind komplett neu gefasst worden. Um sicherzustellen, dass die Beschreibungen vollständig und nachvollziehbar sind, wurden alle Versuche im Rahmen eines Probelaufes von einem HiWi getestet. Dabei wurde auch auf die didaktische Eignung und grundsätzliche Realisierbarkeit hin praktisch geprüft.

Nach Festlegung des Versuchsprogramms musste das Praktikum auch apparativ ausgestattet werden. Angesichts der Probleme in den Lieferketten und der Kürze der Zeit ist es bemerkenswert, dass ein Großteil der maximal 220 Plätze inzwischen ausgestattet ist. Mit großem Arbeitseinsatz des technischen Personals und des zentralen Chemikalienlagers wurden Unmengen an Geräten beschafft und in den neu eingerichteten Praktikumsplätzen einsortiert.

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Positiver Eindruck

Die Evaluierungsergebnisse für das laufende Praktikum liegen noch nicht vor, aber die Verantwortlichen ziehen schon jetzt ein positives erstes Resümee. „Teilnehmende, die sich mit höheren Semestern zum Inhalt und der Durchführung des bisher abgehaltenen AC1-Praktikums ausgetauscht haben, äußern sich sehr positiv über die Neukonzeption. So wird die Möglichkeit, sich über eine längere Zeit in die grundlegenden Labortechniken einarbeiten zu können, sehr gelobt.“


Auch wenn Carrella und Robelek noch an einigen Stellen Verbesserungspotenziale sehen, freuen sich beide über das gemeinsam Erreichte. "Viele haben hier an einem Strang gezogen - anders hätten wir in der Kürze der Zeit nicht so ein gutes Angebot etablieren können!"

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